Mitten im Stau hört man, dass der deutsche Staat im ersten Halbjahr 48,1 Milliarden Euro Überschuss „erwirtschaftet“ hat, sagte die Nachrichtensprecherin. Erwirtschaften. Das machen eigentlich nur Unternehmen. Manche sind an der Börse notiert. Ein Staat erwirtschaftet nichts. Er nimmt seinen Bürgern nur mehr Geld weg als nötig.

Erstaunlich ist es aber, dass es uns trotzdem so gut geht – zumindest offiziell - und trotzdem überall Geld fehlt. Die Kommunen pfeifen aus dem letzten Loch. Nicht nur deshalb scheint es unmöglich zu sein, ein paar von den vielen „erwirtschafteten“ Milliarden zusätzlich in Bildung, Gesundheit oder die marode Infrastruktur zu stecken, während über ein paar Millionen Euro für dürregeplagte Bauern gemotzt wird.

Wie wäre es ausnahmsweise mal mit weniger Steuern? Ich bitte Sie! Das ist unverschämt, so etwas zu fordern. Allein wegen der künftigen Rentenlöcher sind höhere Steuern plötzlich in der Diskussion, wobei man immer wieder hört, die Rentenkasse würde bald platzen. Im Zweifelsfall werden staatliche Überschüsse ohnehin verschwendet. Statt Steuersenkungen diskutiert man lieber über finanzielle Hilfe für die Türkei. Früher wäre das schlichtweg als Einmischung in innere Angelegenheiten gewertet worden.

In den USA gab es dagegen massive Steuersenkungen, die zumindest die Reichen jetzt noch reicher machen. Das schob die Börse auf immer neue Rekorde und bescherte ihr die längste Hausse aller Zeiten – je nach Zählweise.

Seit Trumps Amtsantritt ist der S&P 500 um 33 Prozent gestiegen, der DAX „nur“ um 18 Prozent. Nicht verwunderlich ist, dass Trump vor einem Amtsenthebungsverfahren ausgerechnet gegen ihn warnt. Das würde die Märkte einbrechen lassen. „Dow Jones hängt an Trump“ wäre eine weitere passende Schlagzeile für Nachrichtensprecher.

Und wer keine Aktien hat, muss arbeiten gehen bzw. seine Lebenszeit für einen oft schmalen Taler verkaufen. Die Löhne im Billiglohnsektor bleiben auch durch zusätzliches Angebot aus fremden Ländern unter Druck. Auch hier gibt es erhellende oder auch erschreckende Daten, die besagten, der Westdeutsche hat letztes Jahr 1.279 Stunden gearbeitet, im Osten 1.346 Stunden, also 67 mehr. Im Osten verdiente man 30.172 Euro brutto, im Westen 35.084 Euro im Jahr.

Was sagt der Taschenrechner? Laut dieser Statistik verdient ein „Westler“ pro Stunde 27,43 Euro brutto, der „Ostler“ 22,41 Euro bzw. 18,3 Prozent weniger – statistisch gesehen. Das Fazit ist: Da gibt es hüben und drüben für (Raben)vater Staat noch etwas zu holen. Die heutigen theoretischen Überschüsse der Bürger können morgen schon der reale Überschuss des Staates werden und damit Geld zur freien Verschwendung. Diese Brücke ist mehr als sicher...

Was wird man mit den Überschüssen in Berlin wohl machen? Das würde früher oder später auch für eine Bankenrettung auf europäischer Ebene reichen. Bei fast einer Billion Euro fauler Schulden gibt es jede Menge Begehrlichkeiten. Wir wissen ja: Einem nackten Mann kann man ohnehin nicht in die Tasche fassen. Doch wenn man genug Essen in eine Gasse legt, kommen die Ratten.

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